Der achtzehnjährige Faith verunglückte vor einigen Jahren bei einem Verkehrsunfall und ist seither querschnittsgelähmt. Nach monatelangem Klinikaufenthalt kämpft er sich nun tapfer ins Leben zurück. Er wird dabei hingebungsvoll von seinem Vater und von Freunden unterstützt. Faith musste neu sprechen lernen, und es warten noch viele motorische Trainings auf ihn, damit er z.B. seine Hände zielgerichtet einsetzen und sich selbständiger im Rollstuhl bewegen kann. Inzwischen nimmt Faith auch wieder am Schulunterricht teil. Sein zurzeit größter Wunsch ist es, auch bei der einwöchigen Klassenfahrt 2014 dabei sein zu können. Dafür werden zwei Pflegekräfte benötigt, die sich abwechselnd rund um die Uhr um ihn kümmern. Regina Dencker von Heute ist ein Lächeltag e.V. sprach am 9.9. 2013 mit Faith und dessen Vater:
Lächeltag (LT): Es geht um die Klassenfahrt 2014. Warum ist sie dir so wichtig?
Faith (F): Die Klassenfahrt ist mir so wichtig, weil ich in dem Klassenverband gut klarkommen möchte. Es sind halt Menschen, mit denen ich jetzt mindestens drei Jahre zusammen Unterricht haben werde, und da ist soziale Integration auf jeden Fall wichtig für mich. Ich meine, es macht ja keinen Spaß, mit Leuten zur Schule zu gehen, die du nicht richtig kennst oder nicht magst und zu denen du keinen Anschluss hast.
LT: Und wo nachher ein ganz wesentlicher Zusammenhalt fehlt. Denn die anderen reden ja über die Klassenfahrt.
F: Ich fände es einfach schade, es zu verpassen.
LT: Wohin soll´s genau gehen?
F: Entweder nach Kopenhagen oder Amsterdam, das ist noch nicht ganz klar. Aber es sieht mehr nach Amsterdam aus.
LT: Warst du da schon mal in Amsterdam oder Kopenhagen?
F: Nein.
LT: Wie soll die Reise ablaufen? Fährst du gesondert mit jemandem oder mit der Klasse? Fahrt ihr mit dem Zug?
F: Das ist alles noch in Vorbereitung, das wird gerade geklärt. Ob sie jetzt mit Bus oder Zug fahren, weiß ich nicht. Und ob ich dann mitfahren kann … Bus ist für mich ausgeschlossen, das ist zu lang, zu weit – einfach nicht umsetzbar. Per Zug wäre theoretisch möglich oder dass ich mit einem Fahrservice wie z.B. Medi-Car etc. hingefahren werde, das wäre natürlich das Optimalste.
LT: Und das kostet wiederum Geld oder ist das abgedeckt?
Vater: Das wird von der Eingliederungshilfe übernommen. Ich habe dort nachgefragt. Die übernehmen alles, was Teilhabe am Leben bedeutet, aber nichts, was irgendwie mit Pflege zu tun hat.
LT: Und bei der Fahrt geht es dann um den Pfleger, der sich rund um die Uhr kümmern müsste.
Vater: Aus arbeitstechnischen Gründen müssten es zwei sein, im Arbeitsrecht gibt es da eine Verordnung. Jemand, der Nachteinsatz hat, darf dann erst mal die nächsten zwölf Stunden nicht arbeiten. Das bedeutet, dass zwei Personen mitfahren müssen.
LT: Faith, du bist in einer besonderen Situation. Magst du erzählen, wie du die erste Zeit erlebt hast?
F: Ja, ich habe noch mal ganz bei null angefangen. Ich konnte meine Arme weniger als einen Millimeter bewegen und die erste Zeit sogar gar nicht.
LT: Aber es gibt Fortschritte.
F: Fortschritte auf jeden Fall. Aber man sieht die Welt noch mal mit ganz, ganz anderen Augen, wenn man noch mal bei null angefangen hat. Wenn man wirklich glaubt, man muss sterben, dann steht auf einmal alles in einem ganz anderen Licht.
LT: Das kann man, wenn überhaupt, nur ahnungsweise nachempfinden, aber tatsächlich vermutlich nur, wenn man´s erlebt hat.
F: Sicher. – Ich habe noch nie etwas vergleichbar Schreckliches erlebt.
LT: Und wie bist du mit deiner Verzweiflung umgegangen?
F: Ist ´ne sehr gute Frage. Die erste Zeit, die Anfangszeit, war sehr, sehr schwer, denn ich konnte ja die ersten anderthalb Monate gar nicht reden, war dann drei Monate an der Beatmungsmaschine. Dann denkt man schon drüber nach, warum man das jetzt überlebt hat, was das wohl für einen Grund hat. Also, ich glaube nicht, dass ich irgendwie eine tiefere Bestimmung habe oder so. Aber darüber nachdenken, warum ich den Scheiß eigentlich überlebt habe, das macht man schon.
LT: Hast du akut Schmerzen?
F: Ich sag mal, es ist auszuhalten, also ich hab natürlich welche. Denn weil so viele Muskeln gelähmt sind, mache ich extrem viel Ausweichbewegungen – und das belastet dann schon besonders im Schulterbereich und so, ich weiß nicht, wie ich das genau sagen soll.
LT: Bewegungen, die entstehen, weil du nicht mobil bist?
Vater: Spastiken.
F: Ja, dann gibt es auch noch Spastiken.
LT: Mehrmals am Tag?
F: Mehrmals … Eine Spastik entsteht ja dadurch, dass ein Impuls zum Rückenmark geht und dieser Impuls nicht umgewandelt werden kann. Sie äußert sich unvorbereitet und unangekündigt und stetig und öfter – es fühlt sich an wie ein Stromschlag, und dann kommt ein Krampf.
LT: Das muss sehr, sehr anstrengend sein.
F: Ja, das könnte man so sagen.
Vater: Faith kann so gut wie keine Nacht durchschlafen.
LT: Hast du Ziele, Wünsche, Träume?
F: Ziele, Wünsche, Träume, ja–- wo soll ich anfangen?
LT: Mit den Zielen.
F: Da ich in der Schule in der Elften wieder angefangen habe, will ich mindestens die Zwölfte machen. Das ist auf jeden Fall mein Plan. Dann kriege ich die Fachhochschulreife, eigentlich sogar Abitur. Aber ich werde sehen. wie machbar das ist, ob ich es überhaupt kräftemäßig schaffe, ob ich die Ausdauer habe. Und eigentlich ist mein Plan, dann in Hamburg eine einjährige Ausbildung zum Synchronsprecher zu machen.Irgendwas in diese Richtung.
LT: Das ist ein tolles Ziel.
F: Das muss man natürlich alles noch ergänzen durch Schauspielunterricht und so weiter. Und natürlich ist das auch nicht gerade billig. – Aber keine Ahnung, was sonst? Soll ich Dachdecker werden? Soll ich Bäcker sein? Soll ich Brötchen backen oder im Restaurant kochen? – Ich habe auch überhaupt keine Lust, in irgendeinem Büro zu sitzen und den ganzen Tag in meinen Computer zu hacken.
LT: Es ist sicherlich gut, Ideen zu entwickeln: Wo sind meine Neigungen, was kann ich machen, wo soll es hingehen? Aber z.B. Synchronsprecher werden zu wollen, ist schon mal ein tolles Berufsziel! Faith, ich sehe gerade, dass deine Freunde kommen. Ihr habt ja einen tollen Zusammenhalt. Und auch deshalb wäre es schon wichtig, dass du bei der Klassenfahrt dabei sein kannst.
F: Ja, das kann man sicher nachvollziehen. Wenn die Klasse ´ne Fahrt ins Ausland macht und du bist der Einzige, der nicht dabei ist, ist das schon doof. Insbesondere, wenn man so lange Zeit wie ich im Krankenhaus war – siebeneinhalb Monate, acht – wenn man so lange von der Außenwelt abgeschottet ist, hat man natürlich das Gefühl, extrem viel verpasst zu haben. – Oft habe ich gar keine Ruhe, irgendwas zu tun und mich wirklich darauf einzulassen, mir Zeit zu nehmen: weil ich tausend Dinge gleichzeitig mache, weil ich so viel verpasst habe, weil ich das Bedürfnis habe, all das nachzuholen.
LT: Ich danke dir ganz, ganz herzlich für deine offenen Worte, Faith, und dass du dir für unser Gespräch Zeit genommen hast. Und ich hoffe sehr zuversichtlich, dass wir für dich etwas Positives auf den Weg bringen. (Regina Dencker)
Heute ist ein Lächeltag e.V. möchte Faith gern dabei helfen, sich in sein neues Leben zu integrieren. Da die Pflegekosten während der Klassenfahrt von den Versicherungen nicht übernommen werden, haben wir es dank zielgerichteter Spenden geschafft, diese Lücke zu schließen. Faith hat so eine unvergessliche Klassenfahrt erleben können, und wir sagen auch in seinem Namen DANKE an alle, die dazu beigetragen haben: